Rüsdorfer Kamp: Geschichte eines Heider Stadtteils

Rüsdorf wird in einer Urkunde von 1447 erstmals erwähnt, ist nach der Namensform einige Jahrhunderte älter (Name von Rüsch = Binsen). Das Dorf gab seine gesamte Feldmark an das ab 1434 aufblühende Heide ab. Die Feldmark wurde dann gemeinsam von der Heider Österegge und Rüsdorf bewirtschaftet, was besonders bei der Errichtung von Gebäuden und der Nutzung der Gemeinweide und der Sandgruben im Sandfall zu ständigen Streitigkeiten führte. Im Zuge einer Flurbereinigung (Verkopplung) 1774 wurde die Feldgemeinschaft aufgehoben und die Feldweide verteilt, blieb aber bei Heide. Während Heide sich zu einem stetig weiter wachsenden Ort entwickelte, in dem Handwerk, Handel und Gewerbe dominierten, blieb Rüsdorf ein Dorf, in dem überwiegend Landwirtschaft betrieben wurde. Seine Bewohner waren bis ins 19. Jahrhundert hauptsächlich Bauern, Landmänner und Kätner. Jeder Rüsdorfer Bauer und auch jeder Nebenerwerbsbauer hatte Mitte des 19. Jahrhunderts (um 1865 rum) seine eigene „Torfbüt“ (ein Stück Torfland) im Rüsdorfer Moor, wo im Frühsommer der Torf gebacken und getrocknet wurde. Torf wurde für den Eigenbedarf gebacken, verkauft oder gegen andere landwirtschaftliche Erzeugnisse getauscht.

 Frühzeitig verließen manche Rüsdorfer, die der Landwirtschaft den Rücken zukehrten, ihr Heimatdorf und zogen nach Heide, um sich den Geschäften des Handels, Gewerbes und Handwerks zu widmen. 1629 hatte Rüsdorf 84 Einwohner, wovon 52 durch die Pest starben.1777 gab es nur drei Höfe normaler Größe, dazu aber 19 weitere Gebäude und 192 Einwohner. 1906 waren es 203 Einwohner. 1906 gibt es sechs eigentliche Bauernstellen (Off, Bendtschneider, Groth, Bremer, Dedert).

Rüsdorf gehörte zum Kirchspiel Weddingstedt, war aber Exklave auf Heider Gebiet mit eng gesetzten Grenzen. Kirchlich gehörte es zu Heide. Mit Heide teilte es auch das Schul-, Armen- und später Feuerlöschwesen.  Bis zur Eingliederung Rüsdorfs war es ein schwerer Weg: Heide versuchte in den Jahren 1873, 1893 und 1919 Rüsdorf einzugliedern und scheiterte jedes Mal am Willen der Rüsdorfer Bevölkerung. In den Jahren 1923/24 kam es erneut zu Verhandlungen, die mit dem Beschluss der Bezirksregierung in Schleswig am 9.10.1924 endeten. Die städtischen Kollegien der Stadt Heide, die beteiligte Bauernschaft Rüsdorf und die Kirchspielslandgemeinde Weddingstedt haben dem Beschluss der Umgemeindung zugestimmt. Die Vereinigung Rüsdorfs mit Heide erfolgte mit Wirkung vom 1.01.1925. Es waren wohl nicht alle Bewohner des 230 Seelen Dorfes mit ihrer verlorenen Selbständigkeit zufrieden, die sie über viele Jahrhunderte bewahren konnten. Doch sie haben sich mit ihrem Schicksal abgefunden und sind wohl doch gute Bürger Heides geworden.

Mit dem Anschluss an die Eisenbahnstrecken Richtung Neumünster (1877) und Hamburg (1878) begann eine folgenreiche Entwicklung in Heide: Die damalige 8.000 Einwohnerstadt stieg zum Bahn- und Wirtschaftsknotenpunkt an der schleswig-holsteinischen Westküste auf. Es entstanden neue Gewerbebetriebe und repräsentative Gast-und Wohnhäuser. Doch 100 Jahre später  –zur Zeit des „Wirtschaftswunders“-  kam es durch den rasanten Anstieg des Autoverkehrs am  innerstädtischen Bahnübergang immer häufiger zu langen Staus. 1974 dann die langersehnte Lösung: Eine 360 Meter lange Stadtbrücke wurde erbaut und ganz im Sinne einer „autogerechten Stadt“ ermöglichte sie das schnelle Überqueren der Bahnschienen. Doch hatte das Konsequenzen für den Rüsdorfer Kamp: Wegen der Umleitung des Verkehrs gingen immer weniger Menschen im zuvor gut besuchten Rüsdorfer Kamp ein und aus. Die prächtigen Häuser an der Stadtbrücke (Südseite Hamburger Straße) wurden vom Grau des Betons überschattet. Das Gebiet verlor seine „gute Adresse“, wurde durch die Stadtbrücke vom Innenstadtbereich abgeschnitten und geriet auf dem Fokus.