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Bürgermeister Oliver Schmidt-Gutzat zu den Fällen von Jugendgewalt in Heide

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Freundinnen und Freunde der Stadt Heide,

Unruhestifterei, Vandalismus, Prügeleien, Körperverletzung: Das Thema Jugendgewalt treibt uns weiter um. Gerade waren wir noch froh, dass sich die Situation – nicht zuletzt dank der massiven Gegenmaßnahmen, die wir im vergangenen Jahr ergriffen haben – beruhigt hat, da wird unsere Stadtgemeinschaft erneut von bestürzenden Vorfällen erschüttert.

Besonders schockiert hat mich die brutale Mobbing-Attacke auf das 13-jährige Mädchen, die zu Recht für große Empörung sorgt. Die physische und psychische Härte, mit der die mutmaßlichen Täterinnen das Mädchen misshandeln, macht auch mich wütend und ein Stück weit sprachlos. Dass sich die Gruppe bei ihrem rücksichtslosen Übergriff noch dazu gefilmt und später mit den Videos gebrüstet hat, entzieht sich komplett meinem Werteverständnis.

Ich möchte diesen Beitrag zuallererst dafür nutzen, dem Mädchen und seiner Familie noch einmal mein tiefes Bedauern und mein Mitgefühl auszusprechen. Und es ist schön, zu sehen, dass ich damit nicht alleine bin. Die Anteilnahme der Stadt und der Region ist riesig. Davon zeugen nicht zuletzt die vielen Genesungswünsche und Mutmach-Nachrichten in den sozialen Medien. Ich hoffe sehr, dass es die verschiedenen Hilfsangebote, die große gesellschaftliche Rückendeckung und die Zeit schaffen, sowohl die körperlichen als auch die seelischen Wunden dieser Tat zu heilen. Ich stehe dazu schon seit kurz nach dem Vorfall im direkten Austausch mit der Familie und habe ihr natürlich Unterstützung zugesagt.

Neben der großen Solidarität zeigen die vielen Nachrichten, Beiträge, Kommentare aber noch eine andere wichtige Sache, die uns vereint: Wir alle sind entsetzt. Und wir alle wollen nicht, dass solche schlimmen Dinge passieren. Schon gar nicht hier bei uns in Heide! Umso mehr freue ich mich darüber, dass die Polizei alle mutmaßlichen Tatbeteiligten in diesem besonders schweren Mobbing-Fall so schnell ermitteln konnte.

Wir als Stadt nehmen die neuerlichen Vorfälle zum Anlass, die von uns bereits im vergangenen Jahr getroffenen Kontroll- und Präventionsmaßnahmen noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls auszuweiten. Dazu gab es bereits verschiedene Gespräche mit unseren Partnern. Unter anderem mit der Polizei, die ihre Präsenz in der Innenstadt nach den Südermarkt-Vorfällen im Frühjahr 2022 deutlich verstärkt hat. Dafür bin ich sehr dankbar, denn allein dieser Schritt trägt maßgeblich zum allgemeinen Sicherheitsgefühl bei. Gemeinsam sprechen wir uns für das Wiedereinschalten der Videoüberwachung am Südermarkt aus. Denn die Kameras sorgen mit dafür, dass an diesem Brennpunkt weniger Straftaten begangen werden und dass sich Passantinnen und Passanten dort insgesamt geschützter fühlen. Leider gibt die derzeitige Rechtslage das Wiedereinschalten der Kameras nicht her. Wir haben in diesem Zusammenhang schon Kontakt zum Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Kiel aufgenommen, um die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung auszuloten. Auf besonderen Wunsch der jeweiligen Schulen hin, werden künftig wohl auch einige unserer Schulhöfe nach Unterrichtsschluss mit Videokameras überwacht werden – allerdings gibt es auch hier datenrechtliche Hürden.

Mit Unterstützung unseres Jugendzentrums haben wir schon im vergangenen Jahr die sogenannte Aufsuchende Jugendarbeit verstärkt. Zusammen mit dem Jugendamt wollen wir diesen Bereich nun noch weiter ausbauen. So machen wir uns für die Einstellung eines Streetworkers stark, der sich speziell um die Jugendlichen und ihre Belange kümmern soll.  Die Stadt hat die entsprechenden Beschlüsse bereits getroffen, wir warten aktuell noch auf die Entscheidung der Kreispolitik. Ich bin optimistisch, dass wir in Kürze grünes Licht bekommen und die Stelle dann zeitnah besetzen können. Als direkte Reaktion auf den Mobbing-Vorfall, der vielen Schülerinnen und Schülern Angst macht, planen wir, die Schulsozialarbeit punktuell aufzustocken. Ein entsprechender Dringlichkeitsantrag liegt der Politik bereits vor.

Bereits im Dezember habe ich persönlich Kontakt zur Staatsanwaltschaft Itzehoe aufgenommen und dort schnellere Verfahren bei jungen Straftäterinnen und Straftätern gefordert. Von der Tat bis zur Anklage dauert es meiner Meinung nach häufig zu lange. Dadurch geht ein wichtiger Erziehungseffekt verloren. Ich bin der festen Ansicht, dass beschleunigte Verfahren einen abschreckende Wirkung haben. Nicht zuletzt deshalb, weil mögliche Nachahmerinnen und Nachahmer deutlicher mitbekommen, dass straffälliges Verhalten tatsächlich auch Konsequenzen hat. Am vergangenen Montag gab es in dieser Angelegenheit zudem ein Treffen mit einer Jugendrichterin und einem Jugendrichter. Als Stadt haben wir auf Ermittlungs- und Gerichtsverfahren keinen Einfluss, da sind die Strafverfolgungs- und Justizbehörden gefragt. Dennoch möchte ich auch auf dieser Ebene nichts unversucht lassen, um die Situation bei uns zu verbessern.

Erhöhte Polizeipräsenz, Wiederbelebung des kommunalpräventiven Rates, Kameraüberwachung von Brennpunkten, Platzverweise, Hausverbote für städtische Großveranstaltungen, Sicherheitspersonal bei Jahrmärkten und der Winterwelt, verstärkte Jugendsozialarbeit, Innenstadt-Studie durch den Verein Kieler Antigewalt-und Sozialtraining (KAST), mehr Sport- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche: Seit Mai 2022 haben die haupt- und ehrenamtlichen Akteure vor Ort vieles unternommen bzw. angeschoben, um die angespannte Lage zu verbessern. Inzwischen sind wir als Stadtgemeinschaft allerdings an der Grenze unserer Möglichkeiten angekommen.

Als Bürgermeister wünsche ich mir daher mehr Unterstützung von höherer Ebene. Insbesondere fordere ich vom Jugendamt und den Gerichten, dass auch bei strafunmündigen Intensivtäterinnen und -tätern, wie wir sie auch in Heide haben, alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft werden. Wenn es keine anderen Altenativen mehr gibt, dann müssen diese dauerauffälligen Kinder und Jugendlichen zumindest zeitweise aus ihren offenbar überforderten Familien herausgenommen und in staatliche Obhut genommen werden. Zu unser aller Schutz.

Zumal Heide kein Einzelfall ist. In unseren regelmäßigen Gesprächen berichten mir meine Amtskolleginnen und Amtskollegen, dass auch andere Städte mit einem erhöhten Aufkommen von Jugendgewalt und Jugendkriminalität zu kämpfen haben. Das macht das Ganze nicht besser, aber es zeigt, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen handelt, dass wir auch nur als Gesellschaft – über Landes- und Kompetenzgrenzen hinaus – in den Griff bekommen können. Angefangen im Elternhaus. Denn dort werden die jungen Leute maßgeblich für ihr späteres Leben geprägt. 

Ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen, diese bedenkliche Entwicklung umzukehren. In Heide und in den anderen Städten. Aber das klappt nur gemeinsam! Das bedeutet in letzter Konsequenz auch, dass wir alle uns im Ernstfall nicht wegdrehen, sondern hinschauen. Am besten genauso, wie es der Zeuge im Fall der 13-Jährigen getan hat. Mit seinem mutigen Eingreifen hat er womöglich noch Schlimmeres verhindert. Dafür sage ich von Herzen danke.

Oliver Schmidt-Gutzat
Bürgermeister der Stadt Heide


Ergänzender Hinweis (Montag, 27. März 2023)

Die von Herrn Carsten Stahl während der gestrigen Kundgebung geäußerte Behauptung, der Bürgermeister hätte der 13-Jährigen und ihrer Mutter die Hilfe verweigert, entspricht nicht den Tatsachen. Herr Schmidt-Gutzat nimmt den Vorfall sehr ernst und steht bereits seit kurz nach der Mobbing-Attacke in direktem Kontakt mit der Familie. Neben einem persönlichen Treffen hat es verschiedene Telefonate mit der Mutter gegeben, in denen sich Herr Schmidt-Gutzat nach dem Befinden des Mädchens erkundigt und mehrfach seine Unterstützung angeboten hat – zuletzt am vergangenen Freitag. Von daher ist es mehr als befremdlich, dass Herr Stahl öffentlich einen derart falschen Vorwurf erhebt. Noch dazu ohne jemals mit Herrn Schmidt-Gutzat über die Sache gesprochen zu haben. 

Stadt Heide

 

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